Geschrieben von: Jürgen Demmel |
Sportlerinnen und Sportler unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher persönlicher Zielsetzung sollen bei uns ein leichtathletisches Sportangebot finden, das sie auch
selbst mitgestalten können. Grundsätzlich ist unser sportliches Engagement ausgerichtet auf den
Wettkampfsport als die leistungsorientierte, individuelle Entwicklung der intensiv Sport treibenden Athleten/Athletinnen und den Freizeitsport als das spaßbetonte, fitnessorientierte Training für alle, die nicht primär in den Wettkampfsport gehen wollen oder die sich aus diesem zurückziehen und weiter leichtathletisches Training machen wollen. In unserem Verständnis soll der Sport eine eventuell zentrale aber nicht die ausschließlich Rolle im Leben unserer Aktiven spielen. Wir wollen den bei uns Sport treibenden Mitgliedern bestmögliche Bedingungen für Training und Wettkampf im Rahmen unserer Möglichkeiten geben, nicht aber durch selbst ausgeübten aktiven Sport eine beruflich Grundlage garantieren. Sport treiben bei uns ist nicht Hauptsache sondern eine der schönsten Nebensachen. Im Sinne unseres Verständnisse von Sport messen wir sowohl dem Jugendsport als der leichtathletisch orientierten sportlichen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen per se und der Suche und Förderung von Talenten, die sich im Wettkampfsport erproben und beweisen wollen, großen Wert bei. In gleicher Weise hat der Seniorensport bei uns seine Bedeutung als Fortsetzung sportlicher Betätigung unserer Athleten/Athletinnen nach ihrem Ausscheiden aus dem leistungsintensiven Wettkampfsport bei der Verfolgung nachhaltiger persönlicher Fitnessziele. Unser Bestreben ist es, im sportlichen Bereich eine qualifizierte Betreuung unserer Mitglieder durch einen leistungsfähigen Trainerstab zu gewährleisten. Den Spitzensport wollen wir fördern, ohne die Grenzen gesunder Aktivitäten zu überschreiten. Leistungsorientierung soll immer einhergehen mit Spaß am Sport. Unsere Abteilungsorganisation soll dynamisch und flexibel sein. Sie soll liberal sein und vielen persönlichen Erwartungen Rechnung tragen können. Rahmenbedingungen und Entscheidungen sollen immer in erkennbaren Regeln für alle sichtbar sein. |
100 Jahre Leichtathletik im OSC – Kurze Geschichte der Leichtathletikabteilung
( Jürgen Demmel )
Am Anfang war es nur das Turnen. Aber als am 4. Februar 1914 im Schöneberger Männerturnverein, einem der Vorgängervereine des heutigen OSC, eine Sportabteilung gegründet wurde, war die Leichtathletikabteilung geboren.
Im Deutschen Sport-Club, einem weiteren Vorläuferclub, hatte die Leichtathletik gleich bei dessen Gründung (1922) einen Schwerpunkt. Es begann eine große Zeit. Die erste Deutsche Meisterschaft für den Verein gewann Dr. Walter Lüdeke im Speerwurf gleich im Gründungsjahr.
Der charakteristische Hirsch kam als Marke auf die Wettkampfkleidung. In der Zeit von 1922 bis zu den Jahren des 2. Weltkrieges etablierte sich der DSC in Deutschland mit Staffelsiegen im Sprint sowohl über 4x100m als auch über 4x400m. Mit diesen Staffeln wurden auch mehrfach Deutsche Rekorde aufgestellt. Beim legendären Großstaffellauf Potsdam Berlin konnten einige Male in den verschiedenen Altersklassen Siege errungen werden, wie auch bei den früher hoch im Ansehen stehenden Mannschaftsmeisterschaften. Herausragende Athleten dieser Zeit waren Richard Corts (Sprinter; Silbermedaillien-gewinner der Olympiade in Amsterdam 1928 mit der 4x100m-Staffel), wie auch Ellen Braumüller mit einer Silbermedaille im Speerwerfen 1932 in Los Angeles. Vier Jahre später dann Wilhelm Leichum (Weitspringer, Sprinter; Olympiateilnehmer 1936 mit einer Bronzemedaille in der 4x100m-Staffel).
In diese Zeit der sportlichen Erfolge fiel auch die nachhaltige Idee zur Gründung der ISTAF-Gemeinschaft (1937) aus BSC, OSC und SCC. Die Veranstaltung der Internationalen Stadionfeste durch diese drei Vereine konnte sich bis zur unglücklichen Insolvenz der späteren ISTAF GmbH im Jahre 2002 halten.
Die Jahre vor und während des 2. Weltkrieges brachten für die Vorgängervereine des OSC einen schmerzlichen Stopp in der sportlichen Entwicklung, insbesondere in der Jugendförderung. Ab 1936, in der Folge des „Hitlerjugendgesetzes“, durften alle Jugendlichen bis zu 14 Jahren nicht mehr in den Vereinen geführt werden. Männliche Jugendliche („Knaben“) sollten ihre „körperliche, geistige und sittliche“ Erziehung in der Hitlerjugend erhalten…
Und dennoch: Die Wirren der letzten Kriegsjahre und der ersten Nachkriegszeit konnten den Drang nach Wiederbelebung des Vereinssports nicht hemmen. Mitglieder der inzwischen von den Alliierten verbotenen Schöneberger Turn- und Sportvereine, allen voran Werner Saeger und Paul Ruhnke, gelingt es, zunächst eine Genehmigung für eine „nicht politische Organisation“ zu bekommen und später im Zuge dieser Wiederzulassung aus den alten Vereinen den Olympischen Sport-Club Berlin Schöneberg, Verein für Turnen, Sport und Spiel von 1890 e.V. zu formen.
Auch eine Leichtathletikabteilung war wieder entstanden. Mit der Sprintstaffel 4x100 m Männer gab es 1950 eine erste Berliner Meisterschaft und 1952 mit Jutta Krüger im Speerwerfen eine erste Deutsche Meisterschaft. Ab 1966 ging es auch international wieder aufwärts mit Medaillen bei Europameisterschaften (Silber für Hannelore Trabert mit der 4x100m-Staffel, 1969 Silber in der 4x100m-Staffel für Jutta Stöck, 1971 Gold für Elfgard Schittenhelm mit der 4x100m-Staffel). Jutta Stöck belegte bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexico den 8. Platz im Finale über 200 m mit Deutscher Rekordzeit und kam mit Hannelore Trabert und Renate Meyer in der 4x100m-Staffel im Endlauf auf Rang 6.
In den Jahren 1955 bis 1990 entwickelte sich die OSC-Leichtathletik weiter zu einer in Deutschland beachtlichen Größe. Nicht nur durch die nachhaltigen Erfolge in Einzel- und Mannschaftswettkämpfen insbesondere der weiblichen Jugend und der Frauen, sondern auch durch das starke Engagement bei der Durchführung von Veranstaltungen.
Hans Jacobi und Karl Michalski etablierten das Leichum-Sportfest für die Schülerinnen und Schüler, Rudi Thiel schuf das Internationale Springermeeting in der Schöneberger Sporthalle und gab dem Internationalen Stadionfest (ISTAF) eine weit über Berlin und Deutschland reichende Anerkennung. Der OSC glänzte und die Leichtathleten gehörten zu den führenden, den Spitzensport fördernden Vereinen in Deutschland.
Dieser Glanz zog nach der Wiedervereinigung viele Athletinnen und Athleten aus der ehemaligen DDR und dem vormaligen „Westdeutschland“ an. Große Namen verbuchten für den OSC große Erfolge. Im Mitgliederverzeichnis tauchten vorübergehend die Namen von Spitzenathletinnen und -athleten auf, die Weltklasseleistungen erbrachten und noch heute in unseren Bestenlisten zu finden sind. Wir führen bei Männern und Frauen in insgesamt 78 Disziplinen eigene Vereinsrekorde. Von denen wurden in den letzten 22 Jahren 80% verbessert – aber leider nur 45% der neuen Vereinsrekorde erzielten Athleten und Athletinnen, die ihren sportlichen Entwicklungsaufbau wesentlich im OSC hatten. Viele „Zugezogene“ brachten sportliche Erfolge, hatten aber auch einen erheblichen finanziellen Unterstützungsanspruch. Damit hatte die Abteilung dann auch große Probleme. Als die Hauptsponsoren langsam aber sicher auf dem Rückzug waren, gingen auch die Star-Athleten und -athletinnen „von der Fahne“. Die ganz großen sportlichen Erfolge wurden weniger.
Der gleichzeitige gesellschaftliche Wandel brachte auch eine sich wandelnde Zuneigung zu unserem Sport mit sich. Das jährliche Leichum-Sportfest mit ehemals 700 Teilnehmern (!) stellten wir nach 43 Jahren aufgrund nicht mehr ausreichender Beteiligung ein. Das Springermeeting ließ sich wegen immer höher werdenden Athletenforderungen nicht mehr finanzieren. Für die Volksläufe im Stadtpark Schöneberg gab es immer weniger Interesse und immer höhere behördliche Belastungen der Streckensicherung. Auch aus dem Engagement bei der Durchführung des ISTAF mussten wir uns mit den Partnervereinen BSC und SCC verabschieden. Die ISTAF-GmbH wurde Opfer der Insolvenz der Fifa-Marketinggesellschaft ISL, an die sie sich wegen der immer stärkeren Abhängigkeit von Sponsoren, gebunden hatte. 1,8 Mio. Schweizer Franken blieb die ISL der ISTAF schuldig. Das konnten die Vereine nicht auffangen.
Die Mitgliederzahlen gingen ab 2000 leider auch weiter zurück. Andere Freizeitmöglichkeiten, andere Sportarten, vor allem die von den Medien gehätschelten Ballspielarten, wurden – insbesondere für Jugendliche – interessanter. Gerede von der „Randsportart Leichtathletik“ brachten die wirklich engagierten Sportlerinnen, Sportler und Funktionäre aber nicht vom Wege ab. Zunehmend trieben Ältere wieder Wettkampfleichtathletik und bei den ganz jungen Altersklassen ergab sich ein so großer Zulauf, dass wir kurzzeitig sogar eine Aufnahmesperre vornehmen mussten, denn so schnell ließen sich keine kompetenten Übungsleiter/innen herbeischaffen.
Heute ergibt sich damit die Situation, dass unsere Altersklassen ab U8 bis U14 zunehmend stärker werden und dass die Senioren und Seniorinnen sogar beachtliche internationale (!) Erfolge erreichen. Markenzeichen in diesem Sinne sind Rona Frederiks mit diversen internationalen Meisterschaften und Rekorden der Seniorinnen sowie Dr. Klaus Goldammer jüngst mit zwei beachtlichen Weltmeistertiteln über 10.000m und im Marathonlauf der Altersklasse M 60.
Vom Engagement im absoluten Hochleistungssport, der vielfach nur noch von umfangreich finanziell unterstützten Athleten und Athletinnen praktiziert werden kann, haben wir uns verabschiedet. In den Jahren 2005 und 2007 haben wir uns an den Aktionen des Deutschen Leichtathletikverbandes beteiligt, den Sport für Kinder im Grundschulalter attraktiver zu machen. Mit zwei „Leichtathletik in Aktion“-Veranstaltungen haben wir insgesamt 900 Schülern und Schülerinnen die neue Kinderleichtathletik demonstriert.
Am Ende sind wir jetzt eventuell dem oft zitierten, olympischen (?) Gedanken „Mitmachen ist wichtiger als siegen“ wieder nähergekommen. Sollten wir das zu unserem Motto machen? Die Antwort, die wir uns selber geben ist, Ja, wenn es darum geht, das Angebot sportlicher Betätigung ganz breit für jedes Alter zu schaffen. Nein heißt die Antwort, wenn es bedeuten sollte, nur Freizeitsport anzubieten. Erst aus der Mischung von Wettkampfsport und persönlichem Fitnesstraining entsteht die Leichtathletik, die wir vertreten wollen. Deswegen haben wir wieder ein wenig aufgerüstet. Zur Durchführung eigener Wettkämpfe haben wir eine heute obligatorische Zeitmessanlage angeschafft. Unsere jährlichen drei Abendsportfeste, zwei Kindersportfeste und die Werfertage geben ein gutes Angebot für junge Talente, sich zu prüfen. In 15 Trainingsgruppen kann man sich seine persönliche Fitness schaffen. Wenn uns auch das Engagement der ehrenamtlichen Übungsleiter, Trainerinnen, Organisatoren, Wettkampfhelferinnen und –helfer erhalten bleibt und sich auch weiterhin Gönner finden, die uns materiell unterstützen, steht einer gesunden Entwicklung der Abteilung nichts im Wege.
(Ausführungen zur frühen Entwicklung der Abteilung sind wesentlich den beiden Festschriften des OSC zum 75. Und 100. Jahr der Vereinsgründung entnommen.)